Home-Office – eine ganz neue Form des Unterrichtens

Wenn sich der All­tag eines Leh­rers kom­plett ver­än­dert… ein Bericht von Jani­ne Reißig

Im Stu­di­um und Vor­be­rei­tungs­dienst wer­den wir nicht auf alle Facet­ten des Schul­diens­tes vor­be­rei­tet. Jede Schu­le ist anders, jede Schu­le hat ande­re Vor­aus­set­zun­gen, päd­ago­gi­sche Kon­zep­te, Kol­le­gen und Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Doch eines ist in allen Schu­len gleich: Das Unter­rich­ten. Der Wunsch, jun­gen Men­schen Fach­wis­sen wie auch all­ge­mei­nes Wis­sen wei­ter­ge­ben zu wol­len, ist bei allen Leh­re­rin­nen und Leh­rern gleich. Vor der Klas­se ste­hen und unter­rich­ten oder auch das Vor­be­rei­ten von krea­ti­vem Unter­richt – es macht Spaß und Freu­de. Beson­ders der Moment, wenn man aus der Klas­se geht und wirk­lich das Gefühl hat, die Kin­der erreicht zu haben, bringt das Leh­rer­herz zum Schlagen.

Und dann kommt alles anders. Viva Coro­na. Ein Virus, der unser Leben ein­schränkt und ver­än­dert. Der All­tag des Leh­rers ver­än­dert sich mas­siv. Heu­te noch ste­hen wir vor der Klas­se und erklä­ren die Funk­ti­on der Satz­klam­mer, den Auf­bau des Her­zens oder geo­me­tri­sche Glei­chun­gen, doch am nächs­ten Tag funk­tio­niert das nur noch aus der Fer­ne. Wenn man dabei von Funk­tio­nie­ren reden kann. Hier noch schnell alle E‑Mail zusam­men­su­chen, da noch wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen wei­ter­ge­ben. Von jetzt auf gleich ver­än­dert sich alles: Home-Office.

Mein ers­tes Jahr als voll­wer­ti­ge Leh­re­rin – ein Jahr vol­ler neu­er Erfah­run­gen. Neue Kol­le­gen, neue Schü­le­rin­nen und Schü­ler, eine neue Schul­form, neue Eindrücke.

Alles ist neu und doch so unge­wohnt. Ich kam mit Freu­de am Unter­rich­ten an die Schu­le und wur­de nicht ent­täuscht. Team­work wird an der Frit­ze groß­ge­schrie­ben. Gleich meh­re­re Kol­le­gen hal­fen mir, mich zurecht zu fin­den, gaben mir Tipps und Tricks und wur­den schnell zu all­täg­li­chen Weg­be­glei­tern. Wenn man bestimm­te Men­schen jeden Tag sieht, dann wer­den sie schnell zu Ver­trau­ten – zu Freunden.

Doch im Home-Office ist man ein­ge­schränkt. Man sieht die Kol­le­gen und auch die Freun­de nicht. In der ers­ten Woche mag das ja noch ganz schön sein, aber man beginnt schnell, die Kol­le­gen zu ver­mis­sen und nicht nur das: Auch die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ver­misst man. Aber da war ja noch was: Das Home-Office. Ges­tern noch im Bio­lo­gie­saal gestan­den und einen Sach­film geschaut, heu­te über­mit­teln der Arbeits­ma­te­ria­li­en per E‑Mail. Errei­che ich alle? Kön­nen alle die Auf­ga­ben lösen und ver­ste­hen? Kann den Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit dem Stoff gehol­fen wer­den? Ist es zu viel – zu wenig? Wohl jeder Kol­le­ge kennt die­se Fra­gen. Denn unse­re Inten­ti­on ist jene, die Schü­ler da abzu­ho­len, wo sie gera­de ste­hen. Aber wie soll das funk­tio­nie­ren? Daheim sind nicht alle Schü­ler gleich gut für den Fern­un­ter­richt aus­ge­stat­tet. Nicht jeder hat einen Com­pu­ter oder Dru­cker, nicht jeder hat funk­tio­nie­ren­de Kopf­hö­rer oder kann sich mal eben eine App run­ter­la­den. Digi­ta­li­sie­rung im Eil­tem­po… Aber das ist leich­ter gesagt als getan.

Home-Office ist anders und doch neu. Ich ver­mis­se das Unter­rich­ten und die Fra­gen, die die Schü­ler mir stel­len, wenn sie etwas nicht ver­stan­den haben. Mir als Leh­re­rin eine E‑Mail zu schrei­ben erfor­dert Über­win­dung, die nicht jeder Schü­ler ein­fach so umset­zen kann. Sich im Unter­richt zu mel­den ist ein­fa­cher. Nicht jedes The­ma kann die Mama oder der Papa erklä­ren. So tref­fen sich Ver­zweif­lung und Wut, wäh­rend die Kin­der die Auf­ga­ben bear­bei­ten. Der Wunsch nach Schu­le, nach Nor­ma­li­tät… er wird immer lau­ter und lau­ter. Ich kann ihn spü­ren, hören und selbst aus­spre­chen. Auch ich will zurück, euch hören, lachen und manch­mal auch ler­nen sehen ?. Euch in hand­lungs- und pro­duk­ti­ons­ori­en­tier­ten Auf­ga­ben­for­ma­ten neue Ein­sich­ten erklä­ren und fach­li­ches Wis­sen ver­mit­teln. Doch aktu­ell kann ich euch nur hel­fen, indem ich euch Auf­ga­ben schi­cke, die ihr auch allein bear­bei­ten könnt – Fra­gen an mich jeder­zeit inklusive.

So sit­ze ich hier, auf mei­ner Ter­ras­se. Es ist schön zu arbei­ten und dabei die Bei­ne hoch­le­gen zu kön­nen. Ein Käff­chen dabei, ent­spannt dem Vogel­ge­zwit­scher lau­schen und eure Auf­ga­ben zu ver­schi­cken, E‑Mails lesen, Ant­wor­ten zu schrei­ben und Rück­mel­dun­gen geben. Doch es ist nicht das Glei­che. Es wird nie das Glei­che sein. Es ist näm­lich nicht der Grund, war­um ich Leh­re­rin bin. Denn ich möch­te euch in die Augen sehen und erken­nen kön­nen, dass ihr was gelernt habt.

Lie­be Eltern und Schü­ler. Auch für uns ist die Situa­ti­on nicht leicht. Unse­re Lei­den­schaft zum Unter­rich­ten hat uns zu die­sem Beruf gebracht. Wir wis­sen, dass nicht alle Eltern auch Leh­rer sind. Des­halb setzt euch nicht unter Druck, arbei­tet das ab, was ihr könnt. Die Coro­na-Kri­se zeigt uns doch eins: Nicht Geld, Macht und abso­lu­tes Wis­sen macht uns glück­lich. Gesund­heit und die Men­schen, die uns lie­ben, sind unse­re wich­tigs­ten Güter. Des­halb nutzt die Son­nen­strah­len und geht raus, nutzt die Zeit mit eurer Fami­lie und euren Lie­ben. Vie­les aus dem All­tag hat man uns genom­men, doch Fakt ist doch ganz klar.

Wenn wir es zurück haben, wer­den wir es mehr denn je zu schät­zen wis­sen.
Ler­nen, unter­rich­ten, auf­pas­sen, Freun­de sehen… Nor­ma­li­tät, die uns für eine Zeit lang genom­men wur­de. Aber nie ver­lo­ren geht. ♥

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